„Viele sind unsicher, ob sie Anzeige erstatten sollen“

Betroffene von Gewalttaten können sich in Einrichtungen wie der Gewaltschutzambulanz der Charité in Berlin melden und dort anonym Beweise sichern lassen. Im Interview erklärt Dr. Saskia Etzold, wie die Beweisaufnahme abläuft und wie es danach weitergehen kann.

Name: Dr. Saskia Etzold
Beruf: Stellvertretende Leiterin der Gewaltschutzambulanz der Charité in Berlin
Aufgabe: Das Team der Gewaltschutzambulanz untersucht Betroffene von körperlicher Gewalt medizinisch und sichert Beweise. Ob die Betroffenen die erlittene Gewalt zur Anzeige bringen wollen, können sie auch später noch entscheiden.

Was ist eine Gewaltschutzambulanz?
„Die Gewaltschutzambulanz der Charité ist eine zentrale Einrichtung, in der sich Gewaltopfer rechtsmedizinisch untersuchen lassen können. Wir erheben hierbei den Sachverhalt, untersuchen den Körper der Gewaltopfer und fotodokumentieren entstandene Verletzungen so, dass die Gewaltopfer sowohl Fotos als auch einen Bericht in der Hand haben, um die erlittene Gewalttat nachweisen zu können.“


Wer kommt zu Ihnen in die Gewaltschutzambulanz?
„Zu uns können Menschen, die körperliche Gewalt erfahren haben, kommen, letztendlich ist es so, dass die Opfer von häuslicher Gewalt ungefähr die Hälfte unserer Arbeit ausmacht, wir sehen aber auch Menschen, die von unbeteiligten Personen, die sie nicht kennen angegriffen wurden, das ist die so genannte interpersonelle Gewalt. Dann sehen wir Menschen, die Gewalt im Dienst erfahren haben, dann sehen wir Kinder bei Verdacht auf Kindesmisshandlung oder Kindesvernachlässigung und wir sehen Opfer von sexualisierter Gewalt.
Man kann auch zu uns kommen, wenn man unsicher ist, ob man eine Anzeige erstatten möchte oder nicht. Das ist deshalb wichtig, weil viele Gewaltopfer am Anfang gar nicht wissen, wie soll es jetzt weitergehen, möchte ich eine Anzeige erstatten oder nicht, und wenn sie dann warten würden bis sie sich dazu entschieden haben, kann es sein, dass die Verletzungen bereits abgeheilt sind.
Neben den Untersuchungen bei uns in der Gewaltschutzambulanz bieten wir auch so genannte mobile Dienste an, wenn es den Betroffenen nicht möglich ist, zu uns zu kommen, das ist z.B. der Fall, wenn jemand so schwer verletzt wird und in einem Berliner Krankenhaus stationär behandelt wird, dann fahren wir dahin, damit die Betroffenen nicht zu uns gebracht werden müssen, oder wenn wir die Situation haben, dass jemand in ein Frauenhaus geflohen ist, dann fahren wir in die Frauenberatungsstelle und untersuchen dort.“

Mit welchen Verletzungen kommen Frauen, Männer und Kinder zu Ihnen?
„Wir sehen in über 90 Prozent der Fälle die Folgen der so genannten „stumpfen Gewalt“, bedeutet, dass die Opfer getreten, geschlagen, gekniffen, gebissen wurden, dass Arme oder Beine verdreht wurden, und die typischen Verletzungen, die wir halt am häufigsten sehen, sind dementsprechend Hautunterblutungen, wir sehen aber auch Hautabschürfungen oder wir sehen auch knöcherne Verletzungen, insbesondere im Bereich des Gesichtes, dass z.B. die Nase gebrochen ist oder das Jochbein.“

Was geschieht nach der Untersuchung?
„Unsere Arbeit endet dann, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist und wir im Nachgang die Dokumentation erstellt haben. Jetzt ist es natürlich wichtig, dass die Gewaltopfer nicht nur untersucht werden, sondern auch in ihrem weiteren Prozess gut beraten und begleitet werden. Deshalb ist es so, dass ein Kooperationspartner von uns, nämlich die Opferhilfe Berlin e.V., Beratung bei uns in den Räumlichkeiten anbietet, so dass die Gewaltopfer wenn sie von uns untersucht wurden direkt im Anschluss beraten werden können und gemeinsam geschaut werden kann: Wie geht die Situation weiter? Was sind die rechtlichen Schritte?“

Wie viele Personen nutzen das Angebot der Gewaltschutzambulanz?
„Die Gewaltschutzambulanz in Berlin wurde 2014 gegründet als Modellprojekt und wir haben in den ersten zwei Jahren knapp 1000 Gewaltopfer gesehen, und was wir in den letzten Jahren beobachten haben ist, dass von Jahr zu Jahr die Zahlen immer höher geworden sind. Das bedeutet nicht, dass mehr Menschen Opfer von Gewalt werden, sondern es bedeutet einfach, dass immer mehr Gewaltopfer von uns erfahren.“


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