Menschenhandel erkennen
Das Strafrecht geht auf die vielen möglichen Erscheinungsformen ein, die der eigentliche Menschenhandel (§ 232 StGB und die sich anschließenden Ausbeutungshandlungen (§§ 232a bis 233a StGB) haben können, und stellt diese Taten unter Strafe. Insbesondere stehen das Anwerben von Personen, um sie später auszubeuten, das Drängen zur Aufnahme von Zwangsprostitution oder Zwangsarbeit und andere Ausbeutungshandlungen unter Strafe. Die meisten Straftatbestände setzen voraus, dass sich die Betroffenen in einer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage befinden oder besonders hilflos sind, weil sie sich in einem fremden Land aufhalten oder noch besonders jung (unter 21 Jahren) und deshalb besonders schutzbedürftig sind.
Ausnutzung von Zwangslagen und Hilflosigkeit
Menschen können sich aus verschiedenen Gründen in Zwangslagen oder in einer Hilflosigkeit, die mit einem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, befinden, zum Beispiel wenn
- sie allein für die Versorgung einer oder eines nahen Angehörigen verantwortlich sind,
- sie in ihrem Heimatland in schwierigen sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnissen leben,
- sie in Deutschland ohne einen gesicherten Aufenthaltsstatus und deshalb in Angst vor Abschiebung leben,
- sie sich in dem Land, in dem sie sich aufhalten, nicht zurechtfinden, weil sie die Sprache nicht beherrschen, keine sozialen Kontakte haben und/oder die Lebensverhältnisse des Landes und Hilfsangebote nicht kennen.
Rechte und Ansprüche von Betroffenen
- Wenn Sie eine Straftat vermuten: Verständigen Sie die Polizei! Sie hat die Aufgabe, Gefahren abzuwehren und zu ermitteln, sodass die Täter bzw. Täterinnen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Außerdem informiert sie Betroffene über mögliche Schutzmaßnahmen und ihre Rechte im Strafverfahren.
- Betroffene, aber auch Beobachterinnen und Beobachter von möglichen Straftaten können sich für Hilfe und Beratung an spezialisierte Fachberatungsstellen wenden: www.kok-gegen-menschenhandel.de. Die Beratungsstellen können zu verschiedenen Fragen informieren, z. B. bei Angst vor einer Abschiebung, wer für die Arztkosten für Personen ohne Krankenversicherung nach einer Misshandlung aufkommt oder welche Möglichkeiten es bei fehlenden Ausweispapieren gibt, und sie können auch weitere Hilfen, zum Beispiel rechtsanwaltlichen oder psychologischen Beistand vermitteln. Die Beratungsstellen können Betroffene und Beobachterinnen und Beobachter auch dazu beraten, ob und wie diese sich an die Polizei wenden sollten. Eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher hilft im Bedarfsfall bei der Verständigung.
- Sind Sie selbst verletzt? Lassen Sie sich von einem Arzt oder einer Ärztin untersuchen, damit Beweise gesichert und Verletzungen dokumentiert werden. In manchen Städten gibt es auch spezielle Gewaltschutzambulanzen für Menschen, die Opfer einer Gewalttat geworden sind. Hier können die Betroffenen die Verletzungen rechtsmedizinisch dokumentieren lassen, auch anonym. Das heißt aber nicht, dass man automatisch eine Strafanzeige erstatten muss. Betroffene haben die Möglichkeit, sich dies in Ruhe zu überlegen.
- Haben Sie einen (möglichen) Fall von sexueller Ausbeutung von Kindern auf Reisen beobachtet? Dann wenden Sie sich an die Meldestelle für Verdachtsfälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder auf Reisen und im Tourismus www.dontlookaway.report.
Viele Betroffene von Menschenhandel, Zwangsprostitution oder anderen Straftaten gegen die persönliche Freiheit haben Angst vor Abschiebung oder strafrechtlicher Verfolgung, haben Verletzungen erlitten oder wissen nicht, wie sie Rechtsbeistand bekommen können.
- Betroffene werden manchmal gezwungen, Straftaten zu begehen. Die Staatsanwaltschaft kann bei Betroffenen von Menschenhandel von der Verfolgung der Straftaten absehen.
- Wer durch eine Gewalttat gesundheitlichen Schaden erlitten hat, kann auf Antrag Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten.
- Betroffene können beantragen, vom Staat kostenfrei eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt als Beistand gestellt zu bekommen.
- Auf Antrag können Betroffene als Nebenklägerin oder Nebenkläger im Strafverfahren auftreten.
- Betroffene haben auch Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung vor, während und nach einem Strafverfahren, die ihnen bei besonderer Schutzbedürftigkeit vom Gericht auch kostenfrei beigeordnet werden kann. Minderjährige Opfer von Menschenhandel haben diesen Anspruch auch ohne Nachweis ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit. Beachte: Um eine psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch zu nehmen, ist ein Antrag beim zuständigen Gericht erforderlich.
- Kinder und Jugendliche, die betroffen sind, gelten während des gesamten Strafverfahrens besonders schutzbedürftig.
- Alle minderjährigen (unter 18-jährigen) Betroffenen haben einen Anspruch auf sichere und altersgerechte Unterbringung und Zugang zu medizinischer, psychologischer und sozialer Versorgung.
- Betroffene von Menschenhandel können Auskunft über den Stand des Verfahrens beantragen, auf Antrag ist die Mitteilung an sie auch zu übersetzen.
- Sie werden auch bei einer Strafanzeige über ihre Rechte innerhalb und außerhalb des Strafverfahrens in verständlicher Sprache informiert, zum Beispiel darüber, dass sie eine Entschädigung erhalten oder dass sie Schadensersatzansprüche geltend machen können.
Weitere Hilfsangebote und Beratungsstellen
Wohnortnahe, zur jeweiligen Tat passende Hilfsangebote finden Sie über unseren Beratungsstellen-Finder.
Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK) ist ein Zusammenschluss von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel und Ausbeutung.
Auch der „WEISSER RING e. V.“ unterstützt Betroffene im gesamten Bundesgebiet und hat eine bundesweite, kostenfreie Telefonhotline für Betroffene von Straftaten freigeschaltet: 116 006.
Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind, können rund um die Uhr das bundesweite „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ anrufen: 08000 116 016.
Bei Verdacht oder Fällen des Handels mit und der Ausbeutung von Kindern ist oft schnelles Tätigwerden geboten. Eine regelmäßig aktualisierte Liste mit Kontaktdaten und Servicestellen finden Sie unter: www.ecpat.de
Dies gilt ebenso für Männer, die sich Hilfe unter der Nummer 0800 1239900 einholen können.