Kinder und Jugendliche benötigen Unterstützung, wenn sie von einer Straftat betroffen sind oder eine Straftat beobachtet haben. Ihnen kommen besondere Rechte zu. Eltern und Erziehungsberechtige sollten wissen, welche Unterstützungs- und Beratungsmaßnahmen Kindern und ihnen selbst dabei zur Verfügung stehen.
Wenn Kinder und Jugendliche von einer Straftat betroffen sind, sind sie meistens verunsichert. Häufig trauen sie sich nicht, darüber zu sprechen, insbesondere dann, wenn sie den Täter oder die Täterin kennen oder die Person sogar zur Familie gehört. Es ist besonders wichtig, Vertrauen zu schaffen, Betroffene über ihre Rechte aufzuklären, ihnen zu vermitteln, dass sie keine Schuld tragen und dass ihnen Hilfe zusteht.
Fachberatungsstellen bieten eine umfassende ganzheitliche und psychosoziale Beratung, die an den Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen ausgerichtet ist. Die Angebote dieser Beratungsstellen sind niedrigschwellig, kostenlos und auf Wunsch anonym. Sie bieten Beratung und Begleitung unabhängig von der Bereitschaft der Betroffenen, mit der Strafverfolgung und weiteren Behörden zu kooperieren oder eine Aussage im Strafprozess zu machen.
Direkt Betroffene
Wenn Kindern und Jugendlichen etwas passiert, können sie vielleicht nicht einschätzen, ob das, was ihnen zugestoßen ist, eine Straftat ist. Wichtig ist, ihnen zu sagen, dass sie sich an eine Vertrauensperson wenden können und sollten. Kinder und Jugendliche, die Opfer bestimmter schwerer Gewalttaten geworden sind, haben ein Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin und durch eine psychosoziale Prozessbegleitung. Auch die Polizei ist im Falle einer Straftat ein wichtiger Ansprechpartner. Sie kann feststellen, ob die Tat als Straftat einzuordnen ist, sie kann die Betroffenen schützen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Viele Menschen werden im Umgang mit der Polizei oder der Justiz Unsicherheiten empfinden, weil sie sich nicht mit den Verfahrensschritten bei der Polizei oder vor Gericht auskennen. Wenn sich Eltern für oder gegen eine Strafanzeige entscheiden, ist es daher wichtig zu wissen, welche Konsequenzen die eine oder andere Entscheidung mit sich bringt und wie sie sich selbst und ihr Kind darauf vorbereiten können. Hier kann ein anwaltlicher Rat und/oder eine psychosoziale Prozessbegleitung hilfreich sein.
Durch Straftaten entstandene Verletzungen an Kindern und Jugendlichen können bei Ärzten, in Kliniken oder in Gewaltschutzambulanzen behandelt und für eine eventuelle spätere Gerichtsverhandlung dokumentiert werden.
Therapeutische Versorgung von Kindern
Das Kindeswohl und die Gesundheit von Kindern stehen an erster Stelle. Kinder, die eine akute therapeutische Versorgung brauchen, müssen diese auch während eines Strafverfahrens bekommen. Eltern können also ihr Kind therapeutisch versorgen lassen.
Zeuginnen und Zeugen
Vielleicht machen Kinder und Jugendliche, die Zeugin oder Zeuge einer Straftat geworden sind, sich Sorgen oder haben Angst, etwas Falsches zu machen oder zu sagen. Diejenigen, die sie vernehmen, werden sich Mühe geben, ihnen diese Ängste zu nehmen. Kinder und Jugendliche können auch eine Begleitperson mit zu einer Vernehmung bringen. Dies können Familienangehörige sein, aber auch Freundinnen und Freunde oder Erwachsene aus dem nahen Umfeld, zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher. Ob diese Person bei der Vernehmung dabei sein darf, entscheidet die Person, die die Vernehmung durchführt. Die Aussage muss in jedem Fall vom Kind oder vom Jugendlichen selbst gemacht werden.
Vernehmung von Kindern und Jugendlichen
Im Falle einer Strafanzeige können betroffene Kinder und Jugendliche nach Möglichkeit in kindgerecht gestalteten Räumlichkeiten vernommen werden, die auch Bild- und Tonaufnahmen ermöglichen. Die Befragung wird in bestimmten Fällen durch speziell geschulte Polizistinnen oder Polizisten durchgeführt. Bei gewissen schweren Gewalttaten, insbesondere Sexualstraftaten, wird zudem schon im Ermittlungsverfahren eine richterliche Vernehmung erfolgen, die aufgezeichnet wird und gegebenenfalls in der Hauptverhandlung anstelle einer erneuten Vernehmung verwendet werden kann.
Schutzmaßnahmen während der Hauptverhandlung
Sollte es doch einmal zu einer Vernehmung von Kindern oder Jugendlichen in der Hauptverhandlung kommen, stehen – je nach deren individueller Schutzbedürftigkeit – folgende Schutzmaßnahmen zur Verfügung:
Kinder und Jugendliche werden grundsätzlich nur durch die Vorsitzende Richterin oder den Vorsitzenden Richter befragt. Wenn die anderen Verfahrensbeteiligten weitere Fragen haben, stellen sie diese über die Richterin oder den Richter. Nur im Ausnahmefall werden direkte Fragen an das Kind oder den Jugendlichen gestattet.
Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung des oder der Minderjährigen in der Hauptverhandlung nicht im Beisein des oder der Angeklagten erfolgt. Es kann gegebenenfalls auch anordnen, dass sich das Kind bzw. die oder der Jugendliche während der Aussage in einem anderen Raum als in der Hauptverhandlung befindet und dass die Aussage dann per Video in den Sitzungssaal übertragen wird.
Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist bei der Vernehmung von Kindern und Jugendlichen leichter möglich, z. B. wenn es um Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung geht und der Ausschluss der Öffentlichkeit von den Betroffenen beantragt wird.
Weitere Informationen
Die Broschüre „Ich habe Rechte“ und die Website recht-relaxed.de des Bundesjustizministeriums wenden sich direkt an Jugendliche. Anhand von praktischen Beispielen wird auf einfache Art und Weise erklärt, was ein Straftatbestand ist. Außerdem werden Begriffe und der Ablauf eines Prozesses erläutert.
Die Internetseite zeugeninfo.de bietet kindgerechte Informationen für Kinder, die als Zeugin oder Zeuge an einem Strafverfahren teilnehmen.
Hinweise auf einen Blick für Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden, gibt es hier.
Vernachlässigung und seelische Belastungen
Auch außerhalb von Straftaten können Kinder und Jugendliche in Situationen geraten, in denen sie Hilfe von außen benötigen.
Ob zu Hause, in der Schule oder im Freundeskreis: Es gibt Probleme und Sorgen, die man selbst nicht lösen kann. Das gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, die oft nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen, wenn sie sich zum Beispiel allein und nicht verstanden fühlen oder gemobbt werden.
Am besten ist es, wenn Kinder dann mit Vertrauten wie Freunden, Eltern oder auch Lehrerinnen und Lehrern sprechen können. Wenn auch die nicht helfen können, zum Beispiel, weil sie vielleicht selbst Teil des Problems sind, kann es sinnvoll und hilfreich sein, wenn sich Kinder und Jugendliche an speziell geschulte Expertinnen und Experten wenden.
Zum Beispiel unter der bundesweit kostenlosen Rufnummer 116 111. „Die Nummer gegen Kummer“ ist eine anonyme und kostenlose Telefonberatung, die montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr sowie montags, mittwochs und donnerstags von 10 bis 12 Uhr für alle Sorgen und Probleme erreichbar ist. Samstags können Kinder und Jugendliche dort auch mit Gleichaltrigen über ihre Probleme sprechen.
Was Angehörige von Betroffenen tun können
Wenn Menschen im nahen Umfeld von einer Straftat betroffen sind, haben auch Angehörige die Möglichkeit, sich Hilfe zu holen und die Betroffenen zu unterstützen.
Wenn eine Person von einer Straftat betroffen ist, kann diese Situation auch für die Angehörigen belastend sein. Zum Wunsch, bestmöglich zu unterstützen, kann auch die Sorge kommen, dass man etwas falsch machen könnte.
Daher können auch Angehörige die Möglichkeit nutzen, sich an Fachberatungsstellen zu wenden, um sich zu informieren und beraten zu lassen.
Außerdem besteht auch für Eltern die Möglichkeit, sich unter dem Elterntelefon kostenlos und anonym unter der 0800 1110550 beraten zu lassen.
Unterstützung von Zeuginnen und Zeugen
Wenn ein Freund oder eine Freundin, eine Bekannte oder ein Bekannter oder ein Familienangehöriger als Zeugin oder Zeuge aussagen muss, kann man anbieten, sie oder ihn zur Vernehmung zu begleiten. Denn Zeuginnen und Zeugen ist es grundsätzlich erlaubt, jemanden zur Unterstützung mitzubringen. Ob diese Person bei der Vernehmung dabei sein darf, entscheidet die Person, die die Vernehmung durchführt. Es gibt zudem eine weitere Ausnahme: Wer selbst Zeugin oder Zeuge einer Tat ist, darf nicht bei der Vernehmung anderer Zeugen dabei sein.
Eltern und Erziehungsberechtigte
Auch Kinder und Jugendliche können von einer Straftat betroffen sein und als Zeugen zu einer Aussage aufgefordert werden. Eltern und Erziehungsberechtigte dürfen nicht für ihre Kinder aussagen, entscheiden aber bei minderjährigen Kindern über die Stellung des Strafantrags. Sie dürfen ihr Kind zu einer Vernehmung und, sollte es zu einer Verhandlung kommen und das Kind vor Gericht aussagen müssen, selbstverständlich auch zu diesen Terminen begleiten.
In jedem Fall sollten Eltern und Kinder sich an eine Beratungsstelle wenden. Dort beantworten Expertinnen und Experten alle wichtigen Fragen. Außerdem kann es sinnvoll sein, Unterstützung vom Jugendamt oder Familiengericht einzuholen, um den Schutz des Kindes zu gewährleisten.
Sollte Ihr Kind Opfer einer Gewalt- oder Sexualstraftat geworden sein, hat es außerdem im Strafverfahren Anspruch auf eine professionelle Unterstützung durch eine psychosoziale Prozessbegleitung.
Unterstützung für Hinterbliebene
Hinterbliebene von Personen, die bei einer Straftat getötet wurden, können im Prozess als Nebenklägerin oder Nebenkläger auftreten und haben Anspruch auf eine kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung.
Weitere Informationen
Weitere und ausführlichere Informationen zu den Rechten von Betroffenen und ihren Angehörigen finden Sie in der Opferfibel.