Rede bei Joint Perspectives – A German-Israeli Summit
Rede bei Joint Perspectives – A German-Israeli Summit
Deutsche Fassung der Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, bei Joint Perspectives – A German-Israeli Summit in Berlin am 14. Februar 2024
Anfang RednerDr. Marco Buschmann
Deutsche Fassung der Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, bei Joint Perspectives – A German-Israeli Summit in Berlin am 14. Februar 2024
Haben Sie vielen Dank für die Einladung und für die Gelegenheit, zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Ich würde gerne sagen: Ich freue mich hier zu sein, aber das würde nur zur Hälfte stimmen.
Natürlich freue ich mich, hier vor und mit so vielen hochrangigen, interessanten Personen sprechen zu dürfen. Einige von Ihnen würde ich wagen, meine Freunde zu nennen.
Ich freue mich also, mit Ihnen hier zusammengekommen zu sein. Aber der eigentliche Grund unseres Zusammenkommens freut mich nicht. Und ich weiß: Niemanden hier im Raum freut das.
In seinem „Galeerentagebuch“ fragt der Schriftsteller Imre Kertesz: „Warum hasst man die Juden seit Auschwitz noch mehr?“ Und er gibt selbst die Antwort: „Wegen Auschwitz.“
Ich habe den Eindruck, dass die gleiche perverse Logik, auf die Kertesz hier hinweist, auf den 7. Oktober 2023 und seine Folgen angewandt wird. Jüdinnen und Juden sind an diesem Tag so eindeutig, so unbestreitbar und unwiderlegbar Opfer geworden, dass es Ihnen die Antisemiten nicht verzeihen können. Und dass dieses Opfer nun auch imstande ist, sich zu wehren, ist für alle Judenhasser unerträglich, und sie glauben sich umso mehr berechtigt, ihrem Hass freien Lauf zu lassen. Jüdinnen und Juden spüren das tagtäglich, auch hier in Deutschland.
Gerade im universitären Milieu werden sie bedroht. Regelmäßig finden sich genug Antisemiten, um Veranstaltungen so zu stören, dass diese abgebrochen werden müssen. Das ist schon schlimm genug. Aber da hört es nicht auf.
Erst letzte Woche wurde ein Student der Freien Universität Berlin, Lahav Shapira, von einem anderen Studenten zusammengeschlagen, mitten in Berlin. Shapira musste ins Krankenhaus und operiert werden. Er hatte nach dem 7. Oktober gegen propalästinensische Aktionen an seiner Universität protestiert. Er hatte die Verharmlosung des Terrors angeprangert und auch an die Israelis erinnert, die von der Hamas entführt wurden. Shapira ist Jude.
Es steht mir nicht zu, den Ermittlungen vorzugreifen, aber der Verdacht liegt doch sehr nahe: dass dies eine der antisemitisch motivierten Straftaten war, von denen es in Deutschland viel zu viele gibt.
Im gesamten letzten Jahr verzeichnete das BKA bereits 2300 dieser Straftaten. Aber seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober sind es schon fast ebenso viele.
Das sind erschütternde Zahlen. Und sie zeitigen schlimme Wirkungen: Eine Mehrheit der Jüdinnen und Juden in Deutschland fühlt sich im öffentlichen Raum nicht sicher.
Politik und Ermittlungsbehörden müssen handeln, und das tun sie auch. Unter anderem, indem sie das Strafrecht konsequent anwenden. Die Razzien Ende letzten Jahres gegen die Hamas-Mitglieder in Berlin und Rotterdam, das Betätigungsverbot für die Hamas und die Auflösung des Vereins Samidoun senden eine eindeutige Botschaft:
Wer in diesem Land Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden plant oder begeht, landet vor Gericht.
Wer Propagandamittel verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verbreitet, wer Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet, wer die Flagge Israels verbrennt, wer eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt oder Straftaten billigt, der macht sich strafbar und wird dementsprechend strafrechtlich verfolgt werden.
Und wenn es sich bei den Straftätern nicht um deutsche Staatsbürger handelt, dann müssen wir nicht nur das Strafrecht konsequent anwenden, sondern auch das Aufenthaltsrecht. Das heißt natürlich auch, unter Umständen eine Abschiebung zu veranlassen. Denn wer gegen Jüdinnen und Juden hetzt, bei dem besteht ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse.
Selbstverständlich das letzte, was wir wollen, ist, dass Antisemiten deutsche Staatsbürger werden. Hier bitte ich Sie, die Debatte um die Novellierung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts genau zu verfolgen. Unseriöse, aber leider auch seriöse Kräfte in diesem Land reden hier immer wieder von einer „Verschleuderung“ der Staatsangehörigkeit. Nichts könnte falscher sein!
Es geht unter Umständen schneller, aber die Kriterien werden schärfer. Das gilt für die Unterhaltsfähigkeit, also die Tatsache, dass man von seiner eigenen Arbeit leben kann. Es geht auch um strengere Regeln, die dafür sorgen, dass Antisemiten nicht mehr eingebürgert werden können.
Einbürgerungsbehörden sollen künftig selbst bei Bagatelldelikten wie etwa einer Beleidigung nachforschen, ob die Taten aus antisemitischen Gründen begangen wurden.
Liegt ein Eintrag im Bundeszentralregister vor, müssen die Einbürgerungsbehörden Kontakt mit der zuständigen Staatsanwaltschaft aufnehmen. Hat ein Richter festgestellt, dass antisemitische Beweggründe vorliegen, kann der Täter nicht mehr deutscher Staatsbürger werden.
Antisemiten sind in Deutschland nicht willkommen – und bekommen erst recht keinen deutschen Pass!
Antisemitismus zeigt sich natürlich nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Internet.
Und unsere Behörden gehen auch hier dagegen vor. Seit dem 7. Oktober hat das Bundeskriminalamt 273 Entfernungsanordnungen gegen Kanäle oder Inhalte im Netz erlassen und weitere 2977 Löschersuchen an Serviceprovider übermittelt, denen diese überwiegend nachgekommen sind.
Die Bundesregierung hat die Verbreitung der Hamas-Parole „From the river to the sea, Palestine must be free“ verboten. Und dieses Verbot gilt auch im Internet. Das bedeutet zum Beispiel, dass etwa der Verkauf von T-Shirts mit der Parole untersagt ist.
Deutschland allein kann dieses Verbot nicht durchsetzen. Denn nach dem Digital Services Act ist für die die großen Plattformen die EU zuständig.
Ich habe mich daher an den dafür zuständigen Kommissar Thierry Breton gewandt. Ich habe ihn gebeten, Online-Märkte wie Amazon und Alibaba auf die Verbreitung der Parole hin genau zu überprüfen. Die Betreiber müssen nämlich Maßnahmen gegen die Verbreitung rechtswidriger Inhalte ergreifen. Ich habe großes Vertrauen in die Kommission, dass sie die Dinge sehr aufmerksam verfolgen und, wenn nötig, entsprechend handeln wird. Es darf nicht sein, dass man T-Shirts mit Parolen, die sich gegen die Existenz Israels richten, einfach so im Netz bestellen kann!
Politik und Behörden bekämpfen entschlossen den Antisemitismus.
Aber sie allein werden diesen Kampf nicht erfolgreich führen können: Die Schulen sind gefragt, die Universitäten sind gefragt, Vereine und Jugendzentren sind gefragt, und auch die Medien sind gefragt.
Als Politiker soll man die Arbeit der Medien nicht bewerten, und ich will das auch nicht tun. Aber ich möchte um etwas bitten:
die Hamas nicht mit einer Nachrichtenagentur zu verwechseln;
und nicht in empörender Weise von einem „Geiselaustausch“ zu sprechen, wenn es um die Auseinandersetzung zwischen einem Rechtsstaat auf der einen Seite und einer Terrorbande auf der anderen Seite geht.
Auch gefragt im Kampf gegen Antisemitismus sind selbstverständlich die bürgerlichen Kräfte dieses Landes.
Ich habe mich daher gefreut über die hunderttausenden, die in den letzten Wochen gegen die Verfassungsfeinde auf die Straße gegangen sind. Das war ein gutes, ein wichtiges verfassungspatriotisches Signal. Die Teilnehmer versammeln sich hinter Demokratie, Menschenwürde, Grundrechten und dem Rechtsstaat.
Aber ich will nicht verschweigen, dass ich mich gefreut hätte, wenn eben diese Menschen auch kurz nach dem 7. Oktober auf die Straße gegangen wären. Denn auch Antisemiten sind Verfassungsfeinde – Josef Schuster hat das vor ein paar Wochen beim Neujahrsempfang meines Hauses, wo er der Festredner war, noch einmal zu Recht betont.
Der Schriftsteller Saul Bellow hat geschrieben, dass Unterdrückung nie von großer Präzision sei: Wenn man eine Sache unterdrücke, unterdrücke man auch die daneben – if you hold down one thing you hold down the adjoining.
Denen, die Antisemitismus dulden, weil sie meinen, es betreffe sie ja eh nicht, müssen wir daher klarmachen: Ja, der Antisemit ist ein Judenfeind – aber er ist auch ein Menschenfeind, ja vor allem ein Menschheitsfeind.
Denn wer eine Gruppe Menschen unterdrückt, der unterdrückt bereitwillig auch eine andere Gruppe.
Die Hamas führt das aufs Eindrücklichste vor. Sie hasst und tötet eben nicht nur Juden, sondern auch Homosexuelle, Frauen, Andersdenkende. Ja, man sieht, wie viel ihr das Leben der eigenen Bevölkerung bedeutet: gar nichts.
Sonst wären die israelischen Geiseln frei, die sich immer noch in ihrer Gewalt befinden; sonst würde sie den Beschuss Israels einstellen, über den übrigens auch häufiger berichtet werden müsste; und sonst würde sie nicht Krankenhäuser und Schulen als Schutzschilde missbrauchen.
Diese Mordbande zu feiern, sie gar als Befreiungsbewegung darzustellen, wie das in einigen Zirkeln geradezu schick zu sein scheint, ist empörend, abstoßend und dumm. Das ist die Saat des Menschenhasses und sie geht leider viel zu oft auf.
Wir stehen in diesem Konflikt an der Seite Israels, da ist Deutschlands Platz. Dort stehen wir aus Verantwortung vor unserer Geschichte.
Und wir stehen dort, weil wir mit dem Staat Israel die Ideale der liberalen Demokratie teilen: Rechtsstaatlichkeit und Freiheit, eine unabhängige Justiz und freie Wahlen, den Schutz des Individuums, eine vielfältige Presselandschaft, von der die Jerusalem Post ein bedeutender Teil ist.
Israel führt einen Existenzkampf, und es führt ihn auf dem Boden des Rechts. Das hat auch der Internationale Gerichtshof anerkannt; sonst hätte er ein Ende der Kämpfe angeordnet.
Es sterben viele Unschuldige in diesem Krieg. Sie alle sind zu betrauern, ob sie in Israel oder in Gaza sterben. Die Verantwortung für diese Opfer aber trägt die Hamas.
Wer sagt, man müsse beide Seiten des Konfliktes sehen, dem sage ich: Genau das tun wir.
Wir sehen auf der einen Seite eine terroristische Mordbande und auf der anderen unschuldige Opfer – Israelis und Palästinenser.
Wir sehen auf der einen Seite ein fanatisches islamistisches Regime und auf der anderen eine liberale Demokratie.
Wir sehen auf der einen Seite widerlichste antisemitische Hetze und auf der anderen Jüdinnen und Juden, die auch hier in Deutschland um ihr Leben fürchten.
Und wir wissen daher sehr genau, an wessen Seite wir stehen: an der der Opfer, an der der liberalen Demokratie, an der der Jüdinnen und Juden. Wir stehen an der Seite Israels.
Wir stehen an der Seite Israels, weil wir wissen, wer für den Terror des 7. Oktobers verantwortlich ist. Wir stehen an der Seite Israels, weil wir wissen, dass jedes Land der Welt von seiner Regierung erwarten würde, zu verhindern, dass sich ein solcher Terror jemals wieder ereignet. Und wir stehen an der Seite Israels, weil wir überzeugt sind, dass unsere israelischen Freunde wissen, dass auch ein legitimer Krieg irgendwann enden muss.
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