„How to Punish War Crimes – Recent German Experiences in Bringing War Criminals to Justice“
„How to Punish War Crimes – Recent German Experiences in Bringing War Criminals to Justice“
Rede von Dr. Marco Buschmann MdB, Bundesminister der Justiz, an der Harvard Kennedy School am 20. Oktober 2022 in Cambridge, Massachusetts
Anfang20. Oktober 2022 RednerDr. Marco Buschmann
Rede von Dr. Marco Buschmann MdB, Bundesminister der Justiz, an der Harvard Kennedy School am 20. Oktober 2022 in Cambridge, Massachusetts
Lieber Herr Professor Risse,
liebe Studenten,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mein Großvater war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Er durchlitt die Schrecken der Ostfront. Als er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, hat er viele Jahre keine Kirche mehr besucht. Denn er hatte so furchtbare Dinge gesehen, dass ihn die Frage quälte, wie Gott eine solche Hölle auf Erden zulassen konnte, wie er so viele schreckliche Kriegsverbrechen geschehen lassen konnte.
Aber mit der Zeit verstand er, dass wir nicht Gott die Schuld dafür geben können, wenn Menschen anderen Menschen schlimmste Verbrechen antun.
Es liegt in unserer Verantwortung, Verbrechen zu unterbinden oder zu ahnden; und es liegt – so sehen wir Deutschen es seither, vor dem Hintergrund unserer historischen Verbrechen im Nationalsozialismus – gerade auch in unserer deutschen Verantwortung.
Ich möchte diese Verantwortung in die Worte fassen: Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo auf der Welt sicher fühlen, erst Recht nicht in Deutschland.
Das gibt weder mir noch uns Deutschen das Recht, irgendjemanden zu belehren. Erst Recht nicht hier in den USA. Denn wir Deutschen verdanken wichtige Lektionen über Demokratie, Menschenrechte und die Ahndung von Kriegsverbrechen den USA.
I. Die Vereinigten Staaten, Deutschland und die Entwicklung des Völkerrechts
Sie werden diese Sätze kennen:
„The privilege of opening the first trial in history for crimes against the peace of the world imposes a grave responsibility. The wrongs which we seek to condemn and punish have been so calculated, so malignant, and so devastating, that civilization cannot tolerate their being ignored, because it cannot survive their being repeated. That four great nations, flushed with victory and stung with injury stay the hand of vengeance and voluntarily submit their captive enemies to the judgment of the law is one of the most significant tributes that Power has ever paid to Reason.“
Das waren die berühmten und bewegenden ersten Sätze der Eröffnungsrede im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, von Robert H. Jackson, Hauptanklagevertreter der USA, am 21. November 1945.
Dieser Prozess stellte endgültig klar, dass eines nicht mehr gilt: inter arma silent leges – Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht.
Fortan sollte klar sein, fortan galt: Auch wenn die Waffen sprechen, lässt sich das Recht nicht den Mund verbieten. Diesen zivilisatorischen Fortschritt verdankt die Welt ganz wesentlich den USA.
Es gibt aber auch einen Deutschen, der an dieser Entwicklung hin zu einer rechtlichen Zivilisierung des Krieges wesentlich mitwirkte.
Im Jahr 1827 wanderte ein junger Deutscher in die Vereinigten Staaten aus. Er hatte als Soldat der preußischen Armee gegen Napoleon gekämpft und wegen seiner liberalen Ansichten, zu denen die offene Feindschaft gegen die preußische Krone gehörte, mehrfach im Gefängnis gesessen. Er war Intellektueller und Schriftsteller, zu seinem Bekanntenkreis zählten Jeremy Bentham, Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill. Hier in den Staaten wurde Franz Lieber als Francis Lieber an der Columbia University zum ersten amerikanischen Professor für Politikwissenschaft – ein Fach, zu dessen Miterfindern und Mitgründern er gehört.
Als der Bürgerkrieg ausbrach, trieb ihn vor allem die Frage um, wie die beiden Seiten miteinander umgehen sollten. Er vertrat – selbst auf Seiten der Union stehend – die mutige These, dass konföderierte Gefangene nicht wie Verräter, sondern als Kombattanten und also nach den üblichen Kriegsgesetzen behandelt werden sollten.
Und er schrieb 1862 an Henry Halleck, den Oberbefehlshaber der Unionsarmee, und bot ihm an, einen Verhaltenskodex für Unionssoldaten zu verfassen. Das Ergebnis, von Präsident Lincoln im folgenden Jahr als Generalbefehl Nr. 100 erlassen, war ein Schlüsseldokument auf dem Weg zur Kodifizierung des modernen Kriegsrechts. Vieles von dem, was seither beschlossen wurde, etwa die Genfer Konventionen, beruht auf diesem sogenannten Lieber-Kodex.
Aber es blieb ein langer Weg, gesäumt von Abermillionen Toten.
Es blieb ein langer Weg – von inter arma silent leges bis zum Grundsatz: Auch wenn die Waffen sprechen, lässt sich das Recht nicht den Mund verbieten.
II. Die Internationalen Strafgerichtshöfe seit den 90er Jahren
Große Schritte auf diesem weiten Weg des Völkerstrafrechts waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Charta der Vereinten Nationen, mit ihrem universellen Gewaltverbot; später in und seit den 90er Jahren die Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda; 2002 schließlich die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.
Vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda wurde 1998 erstmals seit den Nürnberger Prozessen ein früheres Staatsoberhaupt, der ehemalige ruandische Premierminister Jean Kambanda für schuldig befunden. Weitere hochrangige Verurteilungen, unter anderem des damaligen Armeechefs folgten.
Auch was die Verbrechen in Ruanda angeht, hoffen Opfer immer wieder und weiter noch auf Gerechtigkeit. Seit drei Wochen, seit Ende September, steht in Den Haag einer der Drahtzieher und der mutmaßliche Finanzier des Völkermords, Felicien Kabuga, vor Gericht. Der 87jährige Kabuga war lange einer der meistgesuchten Männer auf der Welt, 26 Jahre lang war er nicht zu fassen. Unerkannt lebte er unter anderem in Deutschland, Belgien und in der Schweiz. Vor zwei Jahren konnte er nahe Paris festgenommen werden.
Auch wir in Deutschland führen übrigens noch immer Prozesse gegen heute sehr alte Helfer der Menschheitsverbrechen im Nationalsozialismus, gegen Helfer und Helferinnen in Konzentrationslagern oder in der Bürokratie des Mordens, die wir noch ausfindig machen können.
Das ist nicht unumstritten, aber wir halten es doch für richtig. Wir müssen zeigen, dass es Gerechtigkeit gibt, dass es Institutionen gibt, die die Rechte der Menschen schützen.
Ich will hier an den Fall John Demjanjuk erinnern. Demjanjuk gehörte zu den Hilfstruppen der SS, die Personal für den Betrieb der Konzentrationslager stellten. Ab 1952 lebte Demjanjuk in den USA. Von dort wurde er 1986 nach Israel überstellt und dort erst zum Tode verurteilt – wegen einer Verwechslung dann aber freigesprochen. Er kehrte in die USA zurück. 2009 wurde er nach Deutschland ausgeliefert und dort für seine Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibor vor Gericht gestellt. Er wurde 2011 wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig: Demjanjuk starb, bevor über die von ihm und der Staatsanwaltschaft eingelegten Revisionen entschieden war.
Die Mithilfe an solchen Verbrechen darf niemals ungesühnt bleiben. Das ist wichtig für ein Grundvertrauen in Recht und Gerechtigkeit. Es kann zu einem wieder friedlicheren Zusammenleben der Menschen, die von diesen Verbrechen betroffen sind, beitragen. Aber dies geht für liberale Ordnungen nur auf Wegen, die selbst unseren strengen rechtsstaatlichen Bedingungen genügen. Sonst machen wir uns mit den Regimen der Täter gemein.
Wir verhandeln und wir urteilen auf dem Boden des Rechts – das die Angeklagten verachtet haben und verachten. Wir räumen ihnen die ihnen zustehenden Rechte ein – die sie selbst ihren Opfern systematisch verweigerten. Sie behalten im Rechtsstaat ihre Würde als Person – die sie bei ihren Opfern mit Füßen traten.
Das war schon in den Nürnberger Prozessen so; die Anklage hat diese Bindung an das Recht sehr deutlich gemacht.
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, der nun seit 2002 all diese Bemühungen um die Durchsetzung des Völkerstrafrechts bündelt, ist zuständig für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und – seit einigen Jahren – für das Verbrechen der Aggression. Dem Gründungsvertrag des Gerichtshofs blieben allerdings große und wichtige Länder fern – die USA, China, Russland, auch Indien.
Das erste Urteil des Gerichtshofs erging 2012: gegen den kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga. Alle 31 Fälle seither, die der Gerichtshof selbst nennt, betrafen Konflikte in Afrika. An diesem Ungleichgewicht gibt es nachvollziehbar Kritik – auch an anderen Ungleichgewichten: So sei das Ruanda-Tribunal nicht gewillt gewesen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die die jetzige Regierungspartei Patriotische Front Ruandas begangen haben soll, juristisch zu verfolgen.
Wir müssen Maßstäbe, die wir – wie ich finde zu Recht – für universell halten, auch auf uns selbst anwenden, auch gegen starke Staaten und auch, wenn es uns selbst unbequem ist und Nachteile mit sich bringt. Wer Menschenrechte teilt, verneint sie ganz.
Die Gründungsidee des Internationalen Strafgerichtshofs war „die Errichtung eines glaubhaft auf Universalität ausgerichteten ständigen Strafgerichts mit dem Ziel, die Geltung elementarer Völkerrechtsnormen von globaler Reichweite im Fall ihrer Verletzung zu bekräftigen und den von Normbrüchen betroffenen Opfern weltweit Genugtuung widerfahren zu lassen“ – so der Völkerstrafrechtler Claus Kreß.
Das ist das Weltrechtsprinzip des Völkerstrafrechts: Es erlaubt die Verfolgung von Straftaten, unabhängig von ihrem Tatort und von der Staatsangehörigkeit des Täters und des Opfers. Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben: egal wo sie begangen werden, egal wer sie verübt.
Allerdings darf der Internationale Strafgerichtshof oder eine nationalstaatliche Strafverfolgung durch Dritte nur dann tätig werden, wenn die Gerichtsbarkeit des vorrangig zuständigen Staates – Tatortstaat oder Heimatstaat von Täter oder Opfer – untätig ist oder sich eines Problems nicht ernsthaft annimmt. Und ermittelt wird nicht gegen Staaten, sondern gegen Einzelpersonen.
III. Internationale Kriegsverbrechen vor Gericht in Deutschland
Wir wollen nun in Deutschland zeigen, dass dieses Weltrechtsprinzip kein hohles, kein leeres Versprechen ist. Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo auf der Welt sicher fühlen; erst recht nicht in Deutschland. Wir wollen zeigen, dass das Weltrechtsprinzip Zähne hat.
Wir haben das vor allem gezeigt im Zusammenhang der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vom syrischen Regime begangen wurden, und bei Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die in Syrien und im Irak vom sogenannten „Islamischen Staat“ verübt wurden.
Diese Prozesse werden in Deutschland geführt auf der Grundlage des deutschen Völkerstrafgesetzbuches, das das deutsche Strafrecht an die Regelungen des Völkerstrafrechts, besonders an das Gründungsstatut des Internationalen Strafgerichtshofs angepasst hat.
2015 ging vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der erste deutsche Prozess auf dieser Grundlage zu Ende, nach mehr als vier Jahren Verhandlung. Gegen ehemalige ruandische Milizenführer ergingen lange Haftstrafen.
Die laufenden Verfahren unseres deutschen Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof, der für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zuständig ist, betreffen vor allem Sachverhalte aus Syrien und dem Irak, aber auch aus Afghanistan, Eritrea, Gambia, dem Jemen, dem Kongo, Libyen, Mali, Nigeria, Pakistan und die autonome Republik, Tschetschenien – und nun auf dem Gebiet der Ukraine begangene Kriegsverbrechen.
Wegen Völkerrechtsverbrechen von Angehörigen des „Islamischen Staats“ an den Jesidinnen und Jesiden im Irak gab es Verfahren und Urteile im vergangenen Jahr vor den Oberlandesgerichten in München, Frankfurt und Düsseldorf. Auch hier laufen weitere Ermittlungsverfahren, und es wurden Haftbefehle erwirkt.
Der weltweit erste Prozess gegen Funktionsträger des Assad-Regimes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begann vor zwei Jahren gegen zwei ehemalige Geheimdienstmitarbeiter vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Das Gericht verurteilte den Hauptangeklagten – mitverantwortlich für die Folter von über 4000 Menschen und den Tod von mindestens 27 Gefangenen – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Arabische Medien haben das Prozessgeschehen mit großem Interesse verfolgt. – Derzeit läuft ein ähnlicher Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
Das Oberlandesgericht Koblenz dürfte dabei weltweit das erste Strafgericht sein, das nach eingehender Beweisaufnahme zu dem Schluss gelangt ist, dass der systematische und ausgedehnte Angriff gegen einen Teil der Zivilbevölkerung in Syrien auf einen Plan der Regierung unter Präsident Assad zurückgeht.
Einer unserer obersten Gerichtshöfe, der Bundesgerichtshof, hat zuletzt auch klargestellt: Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist die strafrechtliche Ahndung von Kriegsverbrechen durch ein deutsches Gericht nicht wegen des Verfahrenshindernisses der funktionellen Immunität ausgeschlossen, wenn die Taten von einem ausländischen nachrangigen Hoheitsträger in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit im Ausland zum Nachteil von nicht inländischen Personen begangen wurden. Also, und kürzer: Ein Oberleutnant der afghanischen Armee konnte sich gegen die Anklage der Misshandlung gefangener gegnerischer Kämpfer nicht auf seine Immunität berufen.
All diese Verfahren werden von der internationalen Völkerrechtswissenschaft und den Internationalen Strafgerichtshöfen aufmerksam beobachtet – und entfalten eine völkergewohnheitsrechtliche Wirkung.
Dass Deutschland diese Verfahren durchführt, hat auch einen innergesellschaftlichen Grund: In der Folge des Bürgerkriegs in Syrien sind viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Unter diesen befinden sich Opfer, Zeugen – aber auch Täter, die dann von ihren Opfern erkannt wurden. Auch Beweismittel sind mit den Flüchtlingen gekommen. Und aus Deutschland wiederum sind Menschen nach Syrien gereist und haben dort schwerste Verbrechen begangen.
Hier gilt, was ich bereits sagte: Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo sicher fühlen, erst Recht nicht in Deutschland.
IV. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und das Völkerstrafrecht
Was ich bis hierher geschildert habe, war die Situation bis zum 24. Februar 2022. An diesem Tag begann Wladimir Putins verbrecherischer Angriffskrieg gegen die Ukraine – ein Angriff auf alles, was uns in Europa und den Vereinigten Staaten wichtig ist: Freiheit, Recht, Selbstbestimmung, Demokratie.
Genau so ist dieser Angriff ja auch gemeint – als ein Angriff auf die liberale Demokratie an sich. Und so viel will ich sagen: Ich glaube zwar nicht an ein Ende der Geschichte – aber ich glaube daran, dass in jeder neuen Konfrontation die Freiheit den längeren Atem hat und siegen wird!
In manchem hat Putin sehr schnell das Gegenteil erreicht von dem, was er wollte. Die NATO ist nun so gestärkt, wie er es immer verhindern wollte, und ihm so nah, wie er immer behauptet hat, dass sie es sei.
Die Verurteilung, die die russische Verletzung des Gewaltverbots gefunden hat, ist international fast universell: 141 Staaten stimmten im März für eine entsprechende Resolution der UN-Vollversammlung, bei 5 Gegenstimmen und 31 Enthaltungen – noch zwei mehr Staaten, 143, waren es vor einer Woche.
Dieser Krieg seit jetzt acht Monaten ist uns in Deutschland, in Europa, sehr nah – man fliegt von Berlin nach Kiew in wenig mehr als zwei Stunden. Eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine sind in Deutschland registriert.
Natürlich, und das kann in einer offenen, liberalen Demokratie auch gar nicht anders sein, gibt es bei uns Diskussionen, wie wir der Ukraine helfen sollen, welche Art Waffen genau wir liefern und mit wieviel Sorge vor der weiteren Eskalationsbereitschaft Putins wir es tun. Und natürlich: Wir spüren jetzt die Energieknappheit, die Putin als Kampfmittel gegen Europa einsetzt, und die beginnenden wirtschaftlichen Folgen. Aber insgesamt haben wir eine breite Zustimmung für die Unterstützung der Ukraine; und auch ein klares Bewusstsein in der Bevölkerung, wer hier Täter und wer Opfer ist.
Der Generalbundesanwalt hat bereits im März sogenannte Strukturermittlungen wegen Völkerrechtsverbrechen auf dem Gebiet der Ukraine aufgenommen: die breite Erhebung und Sicherung von Sachverhalten und Beweisdaten, die Vernehmung von Zeugen, die Durchleuchtung von Kommandostrukturen und die Identifizierung von an den Kriegsverbrechen Beteiligten.
Wir richten beim Generalbundesanwalt gerade zwei neue Einheiten im Zusammenhang mit dem kriegerischen Geschehen in der Ukraine ein. Denn das ist eine Aufgabe, die uns auf Dauer beschäftigen wird. Es wird viele Jahre in Anspruch nehmen, Tausende von Hinweisen auszuwerten und dann gerichtsverwertbare Beweise digital vorzuhalten – und zwar über Jahrzehnte: Bei Kriegsverbrechen gibt es keine Verjährung!
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft selbst weist auf der eigenen Webseite im Augenblick mehr als 30.000 Verfahren auf, die im weitesten Sinne Kriegsverbrechen betreffen.
Das Recht arbeitet!
Die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs, von einer präzedenzlosen Zahl von Vertragsstaaten dazu ersucht, ermittelt ebenfalls. Die Ukraine, obwohl nicht Vertragsstaat, hat die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für Taten auf ukrainischem Boden 2014 anerkannt. Auch die Vereinigten Staaten haben diese Haager Ermittlungen wiederholt begrüßt.
Ich habe heute Vormittag mit meinem Amtskollegen Merrick B. Garland über Möglichkeiten der Intensivierung der Zusammenarbeit in diesen beispiellos aufwendigen Ermittlungsverfahren gesprochen.
Übrigens – und auch daran sieht man beispielhaft die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung des Universalitätsprinzips – sind dem Chefankläger des Strafgerichtshofs die Hände gebunden, was den Angriffskrieg selbst und Präsident Putin als den dafür Verantwortlichen betrifft. Denn die Bedingungen für die Ausübung der Zuständigkeit des Gerichtshofs über das Verbrechen der Aggression sind deutlich strenger als im Fall der drei übrigen Völkerstraftaten.
Eine Strafverfolgung von Putin wegen „Aggression“ kommt nicht in Betracht, weil Russland keine Vertragspartei des Statuts des Strafgerichtshof ist. Hinsichtlich eines Staates, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, übt der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression nicht aus, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Staates oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde.
Eine andere Einschränkung ist, dass der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression auch hinsichtlich eines Vertragsstaats nur dann ausübt, wenn der betreffende Staat diese Gerichtsbarkeit ausdrücklich anerkannt hat.
Eine Strafverfolgung auch Putins wegen in der Ukraine begangener konkreter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kommt allerdings in Betracht!
V. Die Verbrechen in der Ukraine werden gesühnt werden
Ich bin sicher: Wir werden am Ende Verfahren wegen Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen die höhere russische Führungsebene sehen. Wir werden Täter verhaften, wenn sie nach Europa kommen. Wir werden ein Russland nach Putin aber auch auffordern, mutmaßliche Kriegsverbrecher nach Den Haag auszuliefern.
Straflosigkeit für diesen Angriffskrieg und die geschehenen Kriegsverbrechen wäre eine dermaßen große Niederlage für Grundidee und Geltung des Völkerrechts, dass wir alles tun müssen, sie zu vermeiden.
Dazu sind wir bereit – in Deutschland, und ich denke auch in diesem Land, das uns vor fast acht Jahrzehnten gelehrt hat, wie man den schlimmsten Verbrechen nicht mit Rache, sondern mit dem Recht begegnet!
Vielen Dank! Sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich Kriegsverbrecher nirgendwo sicher fühlen können, erst Recht nicht in Deutschland, aber auch sonst nicht auf der Welt!
‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒
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