Strafgerichtliche Hauptverhandlung wird digital dokumentiert
Das Bundesministerium der Justiz hat heute den Referentenentwurf für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG) veröffentlicht.
Ausgabejahr 2022
Datum 22. November 2022
Das Bundesministerium der Justiz hat heute den Referentenentwurf für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG) veröffentlicht.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Wir bringen unsere Strafverfahren auf die Höhe der Zeit. Eine digitale Dokumentation der Hauptverhandlung ist überfällig. Die Inhalte der Hauptverhandlung an Landgerichten und Oberlandesgerichten sollen deshalb in Zukunft digital aufgezeichnet werden. So werden wir die hohe Qualität des Strafverfahrens noch weiter verbessern. Das ist neben dem technologischen Schritt auch ein Zugewinn für den Rechtsstaat. Die weitere Digitalisierung der Justiz bringt enorme Chancen mit sich, die wir konsequent nutzen wollen. Sie ist kein vorübergehender Trend, sondern Grundvoraussetzung für einen zukunftsfähigen Rechtsstaat.“
Der vorliegende Referentenentwurf schafft die gesetzlichen Grundlagen für eine digitale Inhaltsdokumentation der erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Land- und Oberlandesgerichten. Dadurch wird den Verfahrensbeteiligten ein verlässliches, objektives und einheitliches Arbeitsmittel für die Aufbereitung des Hauptverhandlungsgeschehens zur Verfügung gestellt.
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll die Hauptverhandlung in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Außerdem ist die automatisierte Übertragung der Tonaufzeichnung mittels einer Transkriptionssoftware in ein Textdokument zentraler Bestandteil des Entwurfs. Durch den möglichst zeitnahen Zugriff auf die Aufzeichnung und das Transkript soll der Nutzen für die Verfahrensbeteiligten an der digitalen Dokumentation sichergestellt werden.
Im Falle technischer Schwierigkeiten räumt der Entwurf dem Fortgang des Strafverfahrens gegenüber der Verfügbarkeit der digitalen Dokumentation den Vorrang ein. Das Formalprotokoll, das lediglich den äußeren Ablauf und die wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung verbindlich festhält, wird durch die Bild-Ton-Aufzeichnung nicht ersetzt. Somit stehen die Aufzeichnung und das Transkript den Verfahrensbeteiligten als Arbeitsmittel zusätzlich zur Verfügung.
Der Entwurf sieht folgende Regelungen vor:
- Die gesamte Hauptverhandlung wird in Bild und Ton in erstinstanzlichen Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten aufgezeichnet (§ 271 Absatz 2 Satz 1 StPO-E).
- Die Tonaufzeichnung wird automatisiert in ein Textdokument übertragen (§ 271 Absatz 2 Satz 2 StPO-E)
- Die Dokumentation steht den Verfahrensbeteiligten als Arbeitsmittel neben dem Formalprotokoll zur Verfügung (§§ 271, 273 Absatz 3 und 6, 274 Absatz 2 StPO-E).
- Im Fall von technischen Ausfällen oder Fehlern hat der Fortgang der Hauptverhandlung Vorrang (§ 273 Absatz 2 StPO-E).
- Die Aufzeichnung darf unter bestimmten Voraussetzungen in anderen Verfahren verwendet werden (§ 273 Absatz 5 StPO-E).
- Die Persönlichkeitsrechte der aufgezeichneten Personen werden verfahrensrechtlich und materiell-strafrechtlich geschützt (§ 273 Absatz 1, 4, 5, 6, 7 und 8 StPO-E auch in Verbindung mit § 32f Absatz 4 und 5 StPO und § 499 StPO, § 353d Nummer 4 StGB-E).
- Es erfolgen keine Eingriffe in das Revisionsrecht.
- Die Einführung der Aufzeichnungs- und Transkriptionspflicht erfolgt ein Jahr nach Verkündung, verbunden mit einer Pilotierungsphase bis zum 1. Januar 2030. In dieser Phase können die Länder abweichende Regelungen treffen, ab wann und an welchen Gerichten oder Spruchkörpern aufgezeichnet wird (Artikel 2, 3 und 5 des Referentenentwurfs).
- Hinsichtlich der sogenannten Staatsschutzsenate können die Länder nur bis zum 1. Januar 2026 abweichende Regelungen treffen, so dass die Aufzeichnungs- und Transkriptionspflicht dort ab dem 1. Januar 2026 ohne Ausnahme gilt (§ 19 Absatz 1 Satz 2 StPOEG-E). Dies setzt voraus, dass erste Pilotierungen vor den Staatsschutzsenaten bereits im Jahr 2025 erfolgen.
Der Entwurf sieht bei der technischen und organisatorischen Umsetzung Spielraum für die Länder vor, damit diese den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Landesjustizen und an den Gerichten Rechnung tragen können. Zudem können die Länder bis zur endgültigen flächendeckenden Einführung am 1. Januar 2030 über Rechtsverordnungen den Zeitpunkt für die Einführung festlegen und auf einzelne Gerichte oder Spruchkörper begrenzen.
Eine besondere Rolle nehmen die sogenannten Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte ein. An diesen muss die Aufzeichnung und Transkription spätestens ab dem 1. Januar 2026 erfolgen. Der Bund ist bereit, dazu gemeinsam mit den Ländern eine Referenzimplementierung zu entwickeln. Diese könnte spätestens ab dem Jahr 2025 bei einzelnen Staatsschutzsenaten getestet und ab dem Jahr 2026 bei allen Staatsschutzsenaten eingeführt werden. Nach der Testphase soll sie für alle Gerichte angewendet werden können.
Der Entwurf wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 17.02.2023 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.
Den Referentenentwurf finden sie hier.