Besserer Schutz für Hinweisgeber
Gesetzentwurf schafft umfassendes Hinweisgeberschutzsystem
Ausgabejahr 2022
Datum 13. April 2022
Gesetzentwurf schafft umfassendes Hinweisgeberschutzsystem
Das Bundesministerium der Justiz hat heute einen Referentenentwurf für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, veröffentlicht.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz, wenn sie Missstände bei ihren Arbeitgebern melden. Der nun vorgelegte Referentenentwurf soll ihnen Rechtsklarheit darüber geben, wann und durch welche Vorgaben sie bei der Meldung oder Offenlegung von Verstößen geschützt sind. Ein effektiver Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern liegt aber auch ganz maßgeblich im Interesse der Unternehmen und Behörden selbst. Durch den Aufbau von internen Meldesystemen erhalten Hinweisgeber die Möglichkeit, ohne Angst vor Repressalien Verstöße dort zu melden, wo sie am schnellsten untersucht und abgestellt werden können. So lassen sich Missstände beheben, aber auch Haftungsansprüche gegebenenfalls vermeiden."
Der Referentenentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutzrichtlinie). Die Richtlinie war bis zum 17. Dezember 2021 in den Mitgliedstaaten umzusetzen. Das Bundesministerium der Justiz (und für Verbraucherschutz) hatte bereits im Dezember 2020 einen Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie in Deutschland in die Ressortabstimmung gegeben. Er konnte allerdings wegen des Widerspruchs damals unionsgeführter Ressorts nicht veröffentlicht werden.
Das Bundesministerium der Justiz hat einen überarbeiteten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Hinweisgeberschutzrichtlinie erstellt. Zentraler Bestandteil des Entwurfs ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Es wird begleitet von notwendigen Anpassungen bestehender gesetzlicher Regelungen. Die wesentlichen Bestandteile des Gesetzentwurfs sind:
Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich des HinSchG soll entsprechend den Richtlinienvorgaben weit gefasst werden und umfasst alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Dies können neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Beamtinnen und Beamten beispielsweise auch Selbstständige, Anteilseignerinnen und Anteilseigner oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lieferanten sein.
Der sachliche Anwendungsbereich soll so ausgestaltet sein, dass das Gesetz für die Praxis handhabbar und anwendungsfreundlich ist. Der Entwurf greift daher die durch die Richtlinie vorgegebenen Rechtsbereiche auf und ergänzt sie, wo dies erforderlich ist, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. So sollen in den Anwendungsbereich insbesondere alle Verstöße einbezogen werden, die strafbewehrt sind sowie bußgeldbewehrte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Außerdem wird der Anwendungsbereich teilweise über die nach der Richtlinie einzubeziehenden Rechtsakte der Europäischen Union hinaus in begrenztem Umfang auf nationale Vorschriften aus dem jeweiligen Regelungsbereich ausgedehnt. Beispielsweise werden neben europäischen auch deutsche Vorgaben zur Eisenbahnbetriebssicherheit in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes einbezogen.
Interne und externe Meldestellen
Institutionelles Kernstück des Hinweisgeberschutzsystems sind die internen und externen Meldestellen, die hinweisgebenden Personen für eine Meldung von Verstößen zur Verfügung stehen. Entsprechend den Richtlinienvorgaben sind hinweisgebende Personen frei darin, für ihre Meldung die internen oder sogleich die externen Stellen zu wählen. Die internen und externen Meldestellen prüfen die eingegangenen Meldungen und ergreifen die erforderlichen Folgemaßnahmen.
Beschäftigungsgeber müssen interne Meldestellen einrichten, an die sich Beschäftigte wenden können. Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen betrifft sowohl die Privatwirtschaft als auch den gesamten öffentlichen Sektor, sofern bei der jeweiligen Stelle in der Regel mindestens 50 Personen beschäftigt sind. Spielräume, die die Richtlinie für Erleichterungen für Wirtschaft und Verwaltung bietet, wurden im Entwurf des HinSchG wahrgenommen. So sollen Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten für die Einrichtung interner Meldestellen bis zum 17. Dezember 2023 Zeit haben. Auch können Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten, mit anderen Unternehmen zusammen eine gemeinsame Meldestelle betreiben. Die Einrichtung von internen Meldestellen soll den Unternehmen auch dadurch erleichtert werden, dass Dritte als interne Meldestellen beauftragt werden können oder diese innerhalb des Konzerns zentral bei der Konzernmutter angesiedelt werden können.
Eine zentrale externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden. Daneben sollen die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden. Die externe Meldestelle des Bundes beim BfJ soll mit einer Bund-Länder-übergreifenden Zuständigkeit ausgestattet werden, die sowohl den öffentlichen Sektor als auch die Privatwirtschaft betrifft. Der externen Meldestelle des Bundes soll darüber hinaus die Aufgabe zukommen, Personen, die eine Meldung erwägen, umfassend über die zur Verfügung stehenden Verfahren zu informieren und zu beraten. Den Ländern steht es frei für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen, eigene externe Meldestellen einzurichten.
Offenlegung
Dass sich hinweisgebende Personen mit ihren Informationen an die Öffentlichkeit wenden dürfen, ist den Richtlinienvorgaben folgend nur unter engen Voraussetzungen vorgesehen. Dies gilt etwa bei der Gefahr irreversibler Schäden oder in Fällen, in denen die externe Meldestelle nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat.
Vertraulichkeitsgebot
Wesentlich für die Akzeptanz des Hinweisgeberschutzsystems ist ein wirksamer Schutz der Identität der hinweisgebenden und sämtlicher von einer Meldung betroffenen Personen. Die Identität darf dabei grundsätzlich nur den jeweils für die Bearbeitung einer Meldung zuständigen Personen bekannt sein. Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person oder einer Person, die Gegenstand einer Meldung ist, sollen nur in Ausnahmefällen herausgegeben werden dürfen, etwa in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden.
Anonyme Meldungen
Um der Gefahr einer Überlastung des neuen Hinweisgeberschutzsystems vorzubeugen und erste Erfahrungen sowohl interner als auch externer Meldestellen abzuwarten, ist keine Pflicht zur Bearbeitung anonymer Hinweise vorgesehen. Denn damit würden erhebliche zusätzliche Kosten für die notwendigen technischen Vorrichtungen einhergehen. Gleichwohl fallen anonyme Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber unter die Schutzbestimmungen, wenn ihre zunächst verdeckte Identität bekannt wird.
Schutz vor Repressalien
Der Entwurf des HinSchG sieht entsprechend den Richtlinienvorgaben verschiedene Schutzmaßnahmen für hinweisgebende Personen vor. Zentrales Element ist das Verbot von Repressalien. Hierzu werden alle ungerechtfertigten Nachteile wie beispielweise Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung, Rufschädigung oder Mobbing gezählt, die eine hinweisgebende Person infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet.
Um die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger zu verbessern, enthält der Entwurf in Umsetzung der Richtlinie eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person.
Schadensersatzansprüche
Der Entwurf des HinSchG enthält zudem zwei spezielle Schadensersatzvorschriften: Zum einen ist der hinweisgebenden Person bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot der daraus entstehende Schaden zu ersetzen. Zum anderen ist im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung die hinweisgebende Person zur Erstattung des dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet.
Sanktionen
Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des HinSchG sollen als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet werden können. Dies gilt beispielsweise für das Behindern von Meldungen oder das Ergreifen von Repressalien, aber auch das wissentliche Offenlegen unrichtiger Informationen.
Der Entwurf wurde heute an Länder und Verbände verschickt und auf unserer Homepage veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 11.05.2022 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht werden.
Den Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden finden Sie hier.