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„Der Staat kann Gewinne abschöpfen“

Der Bundesjustizminister spricht über illegale Öl-Kartelle, die Corona-Maskenpflicht und die Unterschiede zwischen Ehe und Verantwortungsgemeinschaft.

Datum 18. Juni 2022
Interviewer Antje Höning, Martin Kessler

Der Bundesjustizminister spricht über illegale Öl-Kartelle, die Corona-Maskenpflicht und die Unterschiede zwischen Ehe und Verantwortungsgemeinschaft.

Herr Buschmann, die Infektionszahlen steigen sprunghaft. Wird es nicht Zeit, die Corona-Maßnahmen wieder zu verschärfen?

Die Bundesregierung beobachtet die Lage jederzeit gründlich. Von einer Entwicklung wie in Portugal sind wir aber weit entfernt. Wir haben außerdem die Hotspot-Regel. Das heißt: Sollte eine neue, gefährlichere Variante auftreten oder sich irgendwo das Infektionsgeschehen drastisch zuspitzen und die Gesundheitsversorgung gefährden, können die Länder handeln.

Am 23. September läuft das Infektionsschutzgesetz aus. Werden Sie Maskenpflicht und 3G-Regeln als Werkzeug bereitstellen, damit Deutschland auf steigende Zahlen reagieren kann?

Wir haben einen guten und wohlüberlegten Zeitplan. Am 30. Juni legt der Ausschuss von unabhängigen Sachverständigen seine Stellungnahme mit der Evaluation der bisherigen Maßnahmen vor. Das werden wir uns genau ansehen. Danach entscheiden wir. Es macht ja etwa keinen Sinn, ein Werkzeug bereitzuhalten, das kaum wirkt, aber tief in den Alltag der Menschen eingreift.

Was haben Sie denn gegen die Maskenpflicht? Dass Masken die Ansteckungsgefahr senken, ist doch unbestritten.

Ich habe nichts gegen die Maske, meine Frau und ich tragen sie auch, wenn wir etwa in den Supermarkt gehen – aber eben freiwillig. Will der Staat Masken vorschreiben, etwa in Innenräumen, muss das evidenzbasiert und verhältnismäßig sein. Ob das der Fall ist, besprechen wir, wenn alle Gutachten vorliegen.

Soll es im neuen Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit von Lockdowns und Schulschließungen geben – oder schließen Sie diese aus?

Schülerinnen und Schüler haben in der Pandemie stark gelitten und auf viel Zugang zu Bildung verzichtet. Manche werden das in ihrem Leben nicht mehr aufholen. Schulschließungen und Lockdowns wird es, jedenfalls mit dem Wissen von heute, in diesem Winter nicht geben.

Umstritten ist auch der seit Juni geltende Tankrabatt. Tragen Sie die Pläne von Robert Habeck mit, der nun das Kartellrecht verschärfen will?

Eine Studie des Ifo-Instituts zeigt, dass der Rabatt weitgehend an der Zapfsäule ankommt. Und eine Umfrage belegt, dass sechs von zehn Bürgern den Rabatt gut finden. Der Tankrabatt wirkt also und wird gut angenommen. Gleichwohl ist es richtig, dass Robert Habeck prüft, ob man das Kartellrecht verschärfen sollte. Preisabsprachen sind mit der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.

Wie könnte das gehen?

Wir können die vorhandenen Entflechtungsinstrumente aktivieren. Bisher muss das Kartellamt Preisabsprachen nachweisen. Weil sich beim Sprit die Preise auch ohne Absprache gleich bewegen, kann man über eine Umkehr der Beweislast nachdenken. Auch das Mittel der Vermögensabschöpfung gibt es bereits.

Wie funktioniert das?

Das kennen wir aus dem Strafrecht: Der Staat kann Gewinne abschöpfen, die mit Straftaten erzielt wurden. Ich bin offen dafür, wenn wir dieses Instrument für das Kartellrecht weiten und Gewinne, die durch illegale Preisabsprachen erzielt wurden, abschöpfen. Der Nachweis bleibt dafür das Problem, damit das rechtsstaatlich erfolgt. Das hat mit einer Übergewinnsteuer aber nichts zu tun. Ich bin gespannt auf Habecks Gesetzesvorschlag.

Im Familienrecht plant die Ampelkoalition als neue Form des Zusammenlebens die Verantwortungsgemeinschaft. Soll sie langfristig die Ehe ersetzen?

Nein, auf keinen Fall. Die Verantwortungsgemeinschaft steht nicht im Wettbewerb zur Ehe.

Geht es nicht darum, dass hier Menschen füreinander Verantwortung übernehmen wie in einer Ehe?

Buschmann Die Verantwortungsgemeinschaft tastet die Ehe nicht an. Die Ehe ist grundgesetzlich abgesichert. Sie richtet sich weiterhin an Menschen, die einander ein Leben lang lieben und womöglich auch Kinder bekommen und großziehen wollen.

Was soll denn dann die Verantwortungsgemeinschaft genau bezwecken?

Buschmann Die gesellschaftliche Realität hat sich geändert. Die Menschen werden älter, viele leben ohne Partner und haben keine Angehörigen in ihrer Nähe. Wer beispielsweise nicht in ein Altenheim will, der gründet vielleicht mit anderen eine WG. Auch alleinstehende Geschwister oder enge Freunde tun sich oft zusammen. Für solche Menschen stellen sich viele rechtliche Alltagsprobleme: Was passiert, wenn jemand ins Krankenhaus muss, was geschieht mit der gemeinsamen Wohnung, wenn einer auszieh? Die Verantwortungsgemeinschaft wäre ein rechtliches Institut, das da Klarheit und Transparenz schaffen kann. Das steht nicht in Konkurrenz zur Ehe.

Sollen die Verantwortungsgemeinschaften steuerlich wie die Ehe gestellt werden?

Ich glaube nicht, dass wir eine solche steuerliche Privilegierung benötigen. Die Menschen verlangen sie auch gar nicht. Sie wollen rechtliche Sicherheit.

Bleibt das Ehegattensplitting?

Mit der FDP wird es keine Änderung beim Ehegattensplitting geben. Diese Entlastung ist angemessen, weil die Partner füreinander auch soziale Pflichten übernehmen.

Die FDP ist gegen die Vorratsdatenspeicherung. Wird sie aus dem Gesetz gestrichen?

Die Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig. Dazu hat es Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur damals in Deutschland geltenden Regelung und später diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtslage in andere EU-Mitgliedstaaten gegeben. Sie steht zwar im Gesetz, kann aber nicht durchgesetzt werden.

Was wollen Sie tun?

Wir wollen die Vorratsdatenspeicherung aus dem Gesetz streichen. Zugleich aber wollen wir ein neues Instrument schaffen, um etwa den wichtigen Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Internet zu verstärken.

Und was bekommen die Ermittler?

An die Stelle der Vorratsdatenspeicherung tritt das sogenannte Quick Freeze. Das heißt: Wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich eine schwere Straftat ereignet hat, können Daten von Personen, die damit in Verbindung stehen, für das Verfahren gesichert werden. Die würden ansonsten nach einer gewissen Frist automatisch gelöscht, bleiben so aber erhalten. Aber es können eben nicht mehr die Verkehrsdaten aller Menschen anlasslos überwacht und gespeichert werden – wie es im derzeit nicht mehr angewendeten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung noch vorgesehen ist. Für die Sicherung der Daten und ihre spätere Erhebung, also die Übermittlung an die Strafverfolger, muss es zudem eine richterliche Erlaubnis geben. Da die Vorratsdatenspeicherung nicht angewandt wird, haben dann dank Quick Freeze die Ermittler mehr wirksame Befugnisse als heute.

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