Was Zeugen dürfen, was Zeugen müssen

Dokumenttyp:Merkblatt

Wer als Zeugin oder Zeuge vor Gericht geladen wird, kann bestimmte Rechte in Anspruch nehmen. Natürlich haben Zeugen auch gewisse Pflichten – insbesondere die Wahrheitspflicht.

Zeugen - Rechte und Pflichten

Wenn Betroffene von Straftaten vernommen werden, gelten sie als Zeugin bzw. Zeuge. Damit haben sie dieselben Rechte und Pflichten wie andere Zeuginnen und Zeugen auch.


Pflicht, zu Vernehmungen zu erscheinen


Wenn ein Gericht Zeuginnen oder Zeugen zu einer Vernehmung lädt, sind diese laut Gesetz verpflichtet zu erscheinen. Dasselbe gilt für eine Ladung durch die Staatsanwaltschaft. Im Falle einer Ladung durch die Polizei besteht eine Pflicht zum Erscheinen nur dann, wenn der polizeilichen Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (§ 163 Absatz 3 Satz 1 StPO).

Pflicht zur Wahrheit


Wenn Zeuginnen oder Zeugen bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht aussagen, müssen sie die Wahrheit sagen und dürfen auch nichts weglassen. In bestimmten Fällen ist es Zeuginnen und Zeugen aber erlaubt, die Aussage zu verweigern; sie müssen dann also gar nichts sagen. Gegen enge Angehörige muss man zum Beispiel nicht aussagen. Auch müssen Fragen nicht beantwortet werden, wenn man sich selbst oder Angehörige belasten müsste. Vor einer Aussage werden die Aussagenden belehrt und es wird festgestellt, ob das Recht, die Aussage zu verweigern, in Anspruch genommen werden darf. Es ist wichtig, bei einer Aussage die Wahrheit zu sagen. Richterinnen und Richter erklären das vor Gericht auch noch einmal. Vor allem wenn die Straftat sehr schlimm für ein Opfer war und das Opfer vielleicht sogar traumatisiert wurde, kann es zu Lücken in der Erinnerung kommen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie sich richtig erinnern können oder ob Sie alles gesagt haben, müssen Sie das dem Richter oder der Richterin mitteilen. Falschaussagen vor Gericht können mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden, bei einer Falschaussage unter Eid sogar mit Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu 15 Jahren.


Glaubhaftigkeitsgutachten


In seltenen Fällen, in denen es entscheidend auf die Zeugenaussage ankommt, kann es vorkommen, dass das Gericht ein aussagepsychologisches Glaubhaftigkeitsgutachten in Auftrag gibt. Eine psychologische Sachverständige oder ein Sachverständiger prüft dann, ob die Zeugenaussage nach wissenschaftlichen Kriterien beurteilt wahrscheinlich wahrheitsgemäß erfolgt ist oder nicht. Dies ist keine Abwertung der Zeugin oder des Zeugen als Person, das Gericht will nur sichergehen, dass sich die Aussage auch tatsächlich als Beweis eignet. Um ihr Gutachten zu erstellen, möchten die Sachverständigen in der Regel mit dem Zeugen oder der Zeugin sprechen. Es ist wichtig zu wissen, dass Zeugen selbst entscheiden, ob sie diesem Gesprächsangebot zustimmen oder nicht. Wenn sie nicht mit dem oder der Sachverständigen sprechen möchten, erstellt die oder der Sachverständige das Gutachten anhand der Aussage der Zeugin oder des Zeugen in der Hauptverhandlung. Ob ein solches Gutachten erstellt werden soll, wird das Gericht mitteilen.


Zeugnisverweigerungsrecht bei Angehörigen


Wenn Zeuginnen oder Zeugen mit der beschuldigten Person verheiratet sind oder waren oder mit dieser Person verlobt sind, müssen sie überhaupt nicht aussagen. Das Gleiche gilt, wenn sie mit der beschuldigten Person nahe verwandt oder verschwägert sind. Wer trotzdem aussagen möchte, sich aber fürchtet, weil der Täter oder die Täterin zur Familie gehört, kann bei einer Beratungsstelle Unterstützung finden. Wenn man aussagt, muss man die Wahrheit sagen – das Zeugnisverweigerungsrecht berechtigt nur zum Schweigen, nicht zur Lüge.


Auskunftsverweigerungsrecht bei Selbstbelastung


Niemand muss sich selbst belasten. Auf Fragen, die auf eine Straftat des oder der Befragten oder Angehöriger schließen lassen, muss man nicht antworten.


Ausnahmefall Vereidigung


Auch wenn es in US-amerikanischen Serien und Filmen anders abläuft: In deutschen Gerichtssälen ist die Vereidigung die Ausnahme, und es wird auch erst am Ende einer Vernehmung entschieden, ob ein Zeuge vereidigt wird oder nicht. Zeuginnen und Zeugen werden in aller Regel nicht vereidigt. Kommt es zu einer Vereidigung, hat dies zwei Folgen:

  • Die Strafe für einen Meineid, also eine falsche Aussage unter Eid, ist deutlich höher als die Strafe für eine Falschaussage ohne Eid. In beiden Fällen droht aber eine Freiheitsstrafe.
  • Unter Eid ist auch eine versehentliche Falschaussage aus Nachlässigkeit strafbar.

Vor einer Vereidigung fragt das Gericht deshalb noch einmal, ob der Zeuge oder die Zeugin noch etwas zu verbessern oder nachzutragen hat. Wer dies dann tut, hat nichts zu befürchten.


Maßnahmen zum Schutz


Hauptverhandlungen an deutschen Gerichten sind mit Ausnahme der Verfahren gegen Jugendliche öffentlich. Zeuginnen oder Zeugen müssen grundsätzlich ihre Personalien angeben, Angeklagte haben ein Recht zu erfahren, was gegen sie ausgesagt wird. In bestimmten Fällen können Zeuginnen und Zeugen sich bedroht fühlen. Zum ihrem Schutz können aber Maßnahmen getroffen werden.

  • Geheimhaltung der Wohnanschrift
    Fürchten Zeuginnen oder Zeugen aus guten Gründen eine Gefährdung für sich oder Angehörige, können sie statt der eigenen eine andere Adresse nennen, unter der sie zuverlässig erreicht werden können. Das kann die Adresse der Kanzlei des Anwalts oder der Anwältin sein oder die Adresse einer Polizeidienststelle oder einer Opferhilfeeinrichtung. Diese Möglichkeit besteht bereits im Rahmen der Anzeigeerstattung sowie bei polizeilichen oder gerichtlichen Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren. Wichtig ist daher, dieses Problem so früh wie möglich anzusprechen, am besten gleich bei der Anzeige

  • Ausschluss der Öffentlichkeit
    Wenn es um Themen aus dem persönlichen Leben von Zeuginnen oder Zeugen geht, kann das Gericht die Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre der Aussagenden ausschließen, zum Beispiel, wenn es um intime Details aus dem Familienleben geht oder wenn wichtige Geschäftsgeheimnisse zur Sprache kommen. Die Öffentlichkeit kann auch dann ausgeschlossen werden, wenn eine Person an Leib, Leben oder Freiheit bedroht ist. Zeuginnen und Zeugen können den Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung beantragen. Die Entscheidung darüber trifft jeweils das Gericht, das deshalb auf rechtzeitige und vollständige Informationen angewiesen ist.

  • Aussage in Abwesenheit des oder der Angeklagten
    Manchmal gibt es besonders schwerwiegende Bedrohungen oder Belastungen von Zeuginnen oder Zeugen. Dann kann die Vernehmung im Gericht ausnahmsweise sogar ohne die Angeklagten durchgeführt werden, wenn zu befürchten ist, dass Zeuginnen oder Zeugen sonst gar nicht aussagen oder nicht die Wahrheit sagen. Der bloße Wunsch einer Zeugin oder eines Zeugen reicht dafür aber nicht aus. Angeklagte haben das Recht, belastende Zeugenaussagen selbst mitzuerleben, um sich verteidigen zu können. Das Gericht muss hier zwischen den Interessen der Aussagenden und den Rechten der Angeklagten abwägen. Die Interessen einer Zeugin oder eines Zeugen gehen aber in jedem Fall dann vor, wenn für sie zum Beispiel wegen einer großen seelischen Belastung die Gesundheit bedroht ist. Selbst im Falle eines Ausschlusses muss aber die Aussage in der Regel simultan per Video in das Zimmer übertragen werden, in dem sich der oder die Angeklagte befindet.

  • Videovernehmung
    In besonders schweren Fällen kann das Gericht erlauben, eine Zeugenaussage per Video zu übertragen. Das kommt immer dann infrage, wenn die Gefahr besteht, dass Aussagende körperlich oder seelisch Schaden erleiden, wenn sie dem oder der Angeklagten gegenübertreten. Der Gesetzgeber hat dabei vor allem an Kinder gedacht. Eine Videovernehmung ist aber auch bei erwachsenen Zeuginnen und Zeugen möglich, vor allem wenn sie Opfer schwerer Gewalttaten geworden sind. Bei Sexualstraftaten soll die Aussage schon im Ermittlungsverfahren vor einem Ermittlungsrichter oder einer -richterin in einem geschützten Rahmen erfolgen und aufgezeichnet werden, sodass sie in der Hauptverhandlung anstelle einer erneuten Vernehmung verwendet werden kann.

  • Besonderer Schutz von Kindern
    Minderjährige Zeuginnen und Zeugen werden in der Regel nur von der Richterin oder dem Richter befragt, Ausnahmen muss das Gericht bewilligen. Es ist auch möglich, die Aussage eines Kindes aufzuzeichnen und in der Hauptverhandlung anstelle einer erneuten Vernehmung zu verwenden.
    Erziehungsberechtigte, deren Kind in einem Prozess als Zeugin oder Zeuge geladen ist, können sich für weitere Informationen und Unterstützung an eine Beratungsstelle wenden.

  • Hilfe und Betreuung
    In vielen Städten gibt es Zeugenbetreuungsstellen direkt bei Gericht. Ansprechpartnerinnen und -partner informieren Betroffene zum Beispiel über den Ablauf eines Strafverfahrens und einer Gerichtsverhandlung. Diese Personen begleiten Betroffene auf Wunsch auch zur Gerichtsverhandlung. Sie unterstützen Betroffene bei der Kontaktaufnahme zum Gericht und stehen ihnen auch nach dem Prozess noch zur Seite. Wenn nötig, vermitteln sie auch therapeutische oder psychologische Hilfe. Informationen hierzu finden Sie meist auf der Internetseite des Gerichts, vor dem verhandelt wird.

  • Psychosoziale Prozessbegleitung
    Für Betroffene von besonders schweren Straftaten ist ein Strafverfahren eine große zusätzliche Belastung. Die psychosoziale Prozessbegleitung, eine qualifizierte Form der Begleitung durch speziell dafür ausgebildete Fachkräfte, bietet Unterstützung in den verschiedenen Phasen des Verfahrens. Sie berät nicht rechtlich, sondern unterstützt im Ermittlungsverfahren und später während und nach der Hauptverhandlung. Sie begleitet zum Beispiel zu Vernehmungen bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft und kann vor dem Termin das Gerichtsgebäude und den Gerichtssaal zeigen. In bestimmten Fällen, insbesondere für minderjährige Opfer schwerer Sexual- und Gewalttaten, aber auch bei besonders schutzbedürftigen erwachsenen Opfern schwerer Sexual- und Gewalttaten erfolgt die Beiordnung psychosozialer Prozessbegleitung auf Antrag kostenlos. Meistens können auch die Opferhilfeeinrichtungen zur psychosozialen Prozessbegleitung informieren.


Fahrtkosten und Verdienstausfall


Wer vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft als Zeugin oder Zeuge geladen wird, hat das Recht auf Erstattung von Fahrtkosten sowie auf Entschädigung für sonstigen Aufwand und Verdienstausfall. Zeuginnen und Zeugen erhalten in diesen Fällen ein Schreiben, in dem nicht nur der Termin und der Ort der Vernehmung genannt werden, sondern auch Informationen zur Beantragung der Zeugenentschädigung enthalten sind. Falls Fragen offenbleiben, können sich Zeuginnen und Zeugen bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht telefonisch oder persönlich erkundigen. Auch wer von der Polizei geladen wird, kann ein Recht auf Entschädigung haben. Dies richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht.

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